1.Mai 2022
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- Stadtgeschehen
- Mittwoch, 04. Mai 2022 19:00
Stellungnahme 1.Mai 2022
Der mit Spannung erwartete 1.Mai 2022 hat viele Menschen enttäuscht, die
gehofft hatten, dass daraus ein kämpferisches Ereignis wurde. Stattdessen gab es keinen
Demonstrationszug mehr von Mannesmann zum Rathausmarkt.
Der DGB hatte zur Kundgebung am Ringlokschuppen eingeladen, nach dem
wohl die IG-Metall nicht mehr auf dem Rathausmarkt feiern wollte.
Leider kam das kämpferische bei der Veranstaltung an der MüGa zu kurz.
Es war mehr ein Familienfest, als ein Kampftag der Arbeitnehmer. Vielleicht ist das die Zukunft für kommende Maifeiern?
Das Wählerbündnis von WIR AUS Mülheim bedauert diese Entwicklung.
Hartmut Sternbeck - Vorstandssprecher
8. März Weltfrauentag 2022
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- Stadtgeschehen
- Montag, 07. März 2022 22:41
Sei auch Du dabei...für Gleichberechtigung!
Auch wenn viele Rechte für Frauen und Emanzipation erreicht wurden, sind wir doch weit davon entfernt, von Gleichberechtigung und Chancengleichheit reden zu können. Noch immer verdienen Frauen bei gleicher Arbeit 21% weniger Lohn. Es gibt für Frauen immer weniger Vollzeit-Jobs, die sie auch mit einem geregelten Familienleben vereinbaren können. Meistens gibt es nur Minijobs, Teilzeit-Jobs ohne eine faire Alterssicherung. Alleinerziehende Mütter sind von der tiefsten Armut betroffen und werden vom Staat im Stich gelassen. Die soziale Ungleichheit nimmt rasant zu. Den Preis für weltweit anhaltende Kriege, für strukturell provozierte Gewalt und Niedriglohnpolitik zahlen zuallererst die Frauen.
Die Folgen der Corona-Pandemie haben die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern um ein Vielfaches befeuert. Frauen mussten häufiger ihre Arbeitszeit reduzieren und übernahmen mehr Sorgearbeit, etwa in Form von Kinderbetreuung, Hausarbeit oder der Pflege von Familienmitgliedern. Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung haben in Haushalten mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren 27 Prozent der Frauen, aber nur 16 Prozent der Männer ihre Arbeitszeit reduziert, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten.
Das zeige, dass finanzielle Überlegungen bei der Entscheidung, wer von den Eltern Arbeitszeit reduziert, eine wesentliche Rolle spielten. Schon vor Corona arbeiteten Frauen überproportional im Niedriglohnsektor, meist in Teilzeit und unterbezahlt. Vier von fünf Pflegekräften waren 2020 Frauen (Krankenpflege 80 Prozent; Altenpflege 83 Prozent.) Viele Frauen erleben heute, wie der Rückfall in traditionelle überkommene Frauenrollen durch die Pandemie beschleunigt wurde. Hinzu kommt, dass die Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen während der Pandemie stark zugenommen haben. Das Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen war schon vor Corona völlig überlastet. Es fehlen Frauenhaus-Plätze, Beratungsstellen bleiben unterfinanziert.
WIR AUS Mülheim fordert:
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
Gleichberechtigung in allen Lebenslagen!
AFD fordert rechtliche Bindung des Stadtrats zur VHS!
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- Presse
- Donnerstag, 23. Dezember 2021 13:13
Die AFD versucht hier, soziale Themen zu besetzen, um sich sozial und bürgernah zu profilieren. Damit wird versucht, sich als“ Kümmerer“ für die Menschen darzustellen. Es wird damit vertuscht, wie spalterisch, unsozial und faschistische diese Partei ist.
Mit den Anträgen die heute von der AFD im Stadtrat eingebracht werden, soll dargestellt werden, wir sind auf der Seite der Mülheimer Bürger.
Die etablierten Parteien sind an diesen Vorgängen nicht ganz unschuldig. Mit ihrer Ignoranz, den gewonnenen Bürgerentscheid für den Erhalt des VHS-Gebäudes in der MüGa nicht umzusetzen, die schulische gegen die erwachsenen Bildung auszuspielen, wurde diese Vorlage von der AFD gerne genommen.
Das Wählerbündnis von WIR AUS Mülheim, bekräftigt hier noch einmal, das die VHS ein Ort des miteinander und ein Ort der Bildung ist. Sie ist ein Ort der Aufklärung, ein sozialkultureller Lernort für alle Bürgerinnen und Bürger, egal welcher Nationalität.
Die rechtliche Bindung ist ja durch den gewonnenen Bürgerentscheid legitimiert und besteht weiterhin, da er einem Ratsbeschluß gleichkommt.
Die VHS gehört zur MüGa – setzt den gewonnenen Bürgerentscheid endlich um!
Es ist ein durchschaubares Spiel von der AFD den gewonnenen Bürgerentscheid für ihre politischen Zwecke zu mißbrauchen. WIR AUS Mülheim distanziert sich entschieden von der AFD.
Doppelhaushalt 2022/2023
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- Parlamentsarbeit
- Montag, 15. November 2021 16:10
Haushaltsrede des Stadtverordneten Cevat Bicici von WIR AUS Mülheim im Rat der Stadt zum neuen kommunalen Doppelhaushalt 2022 / 2023
Mülheim,11.11.21
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, werten Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
als Stadtverordneter des überparteilichen kommunalen Personenwahlbündnisses WIR AUS Mülheim möchte ich zum Haushalt 2022 /2023 folgende Stellungnahme abgeben:
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich werde diesem Doppelhaushalt mit seinem Haushaltssicherungskonzept nicht zustimmen.
WIR AUS Mülheim ist nicht bereit, diese sogenannte Sparpolitik mitzutragen. Sie wälzt die Folgen der Haushaltskrise der Kommune auf die Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt ab. Mit „ Sparen“ hat das, was hier passiert, überhaupt nichts zu tun. Hier wird bewusst ein Wort benutzt, das in den Ohren der Bürgerinnen und Bürger einen positiven Klang hat, denn mit Sparen ist eigentlich gemeint, dass etwas zur Seite gelegt wird zwecks späterer Verwendung.
Die meisten wissen jedoch: Wenn die Regierenden vom Sparen reden, dann geht es nur darum, dass die Bürger einmal mehr zur Kasse gebeten werden sollen – in dem Irrglauben, dass so die Haushaltskrise bewältigt werden könnte.
Die Kernkritik am Prinzip des HSK zielt darauf ab , dass sämtliche kommunalen Aufgaben nur noch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen und beurteilt werden. Das Prinzip der Daseinsvorsorge verträgt sich nicht mit dem Anspruch, einen Gewinn erwirtschaften zu müssen. Und eine Stadt ist bei aller Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln zum Glück nicht mit einem Wirtschaftsunternehmen gleichzusetzen.
Aufgaben wie das Betreiben von Kindergärten, Schulen, Theatern, Stadtteilbüchereien, Offenen Ganztagsschulen oder des Öffentlichen Personennahverkehrs ausschließlich dem Diktat der Wirtschaftlichkeit zu unterwerfen, ist zu kurz gedacht. Denn eine solche Vorgehensweise lässt den eigentlichen Wert dieser wichtigen Aufgabenbereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge außer Acht:…..
Die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise degradiert den Menschen zum bloßen Kostenfaktor und im Ergebnis wird die öffentliche Daseins für- und vorsorge endgültig unter das Diktat der „Rotstiftpolitik“ gestellt.
So schön die gestiegenen Steuereinnahmen durch Erhöhung der Gebühren und Hilfen durch das Land NRW für Mülheim sind, weil es dadurch gelungen ist einen so genannten fiktiven Haushaltsausgleich zu erreichen, so teile ich dennoch nicht die Einschätzung, dass nun eine Haushaltskonsolidierung und eine Entschuldung aus eigener Kraft vorstellbar ist. Das ist eine Illusion. Die Gesamtschulden des städtischen Haushaltes liegen unter Einschluss der Schulden der Eigenbetriebe, inklusive der Liquiditätskredite bei annähernd über zwei Milliarden Euro.
Wie sieht Ihr Weg der sogenannten Haushaltskonsolidierung aus?
Es ist ein Weg der Konsolidierung durch Personalabbau, Aufgabenreduzierung, Standardreduzierung und Leistungsverzicht, wie auch der Gebührenerhöhungen zur Einnahmesteigerung. Dieser Weg geht zu Lasten der Beschäftigten der Stadt und der Bürger, die immer mehr zur Kasse gebeten werden. In den unteren Arbeitsebenen hat die Arbeitsverdichtung in der Stadtverwaltung so zugenommen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Zahnfleisch kriechen. Aber wir haben eine fünfte Dezernentenstelle neu geschaffen.
Kürzungen in der Daseinsvorsorge, öffentlicher Nahverkehr hier sollen 2 Millionen Euro eingespart werden. Werte Ratskolleginnen und Kollegen wer für die Verbesserung unserer Umwelt eintritt, fördert auch den Ausbau des ÖPNV auf Schienen und zwar mit kostenloser Nutzung, das wäre eine wirkliche Alternative, stattdessen wird der ÖPNV hauptsächlich als Defizitträger gesehen. Kürzungen in der Bildung, bei den Stadtteilbibliotheken, Nichtschaffung von bezahlbarem Wohnraum u.s.w. . Diese Krisenlasten der Kommune werden auf die Bürgerinnen und Bürger in Mülheim abgewälzt. Den erfolgreichen Bürgerentscheid zum Erhalt der VHS-Gebäude in der MüGa hat dieser Rat, der sich eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet fühlen müsste, ignoriert und ausgesessen. Diese kurzsichtige Denkweise prägt nach wie vor das politische Handeln in Mülheim.
Diesen Weg der Konsolidierung lehnt WIR AUS Mülheim ab. Das ist ein Weg, der nicht an die Ursachen geht, im Gegenteil, er reicht die Misere einfach nach unten weiter.
Was ist der Grund für die problematische Haushaltslage?
Die Hauptgründe liegen noch nicht einmal in erster Linie in der Ausgabenpolitik der Kommune. Der OB wie auch der Kämmerer haben eine Reihe von Gründen genannt, die sowohl in der Politik der Landesregierung wie auch der großen Koalition liegen und ich halte diese durchaus für zutreffend: Das nicht umgesetzte Konnexitätsprinzip, die ständige Zuweisung neuer Aufgaben durch Bund und Land ohne entsprechenden Finanzmittel in ausreichender Höhe, die Umschichtung des Landeshaushalt zu Lasten der Kommunen.
Aber vor allem die Unternehmersteuerreform unter der alten Rot/Grünen- Regierung, die Entwicklung seit 2001bis heute, haben die kommunalen Haushaltskrisen vertieft. Das war der sogenannte Agenda-Prozess. Damit wurde eine Umverteilungspolitik von unten nach oben praktiziert: aus den Taschen der kleinen Leute in die Taschen der großen Konzerne.
Zwei Aktuelle Beispiele möchte ich hier anführen:
Während der Einzelhandel durch die Corona-Krise ums Überleben kämpft, streichen Konzerne riesige Profite ein. Der Eigentümer von Lidl und Kaufland, Dieter Schwarz, Er steigerte sein Vermögen in 2020 von 22,6 auf 36,8 Milliarden Euro. Amazon und Facebook haben ihre Gewinne im zweiten Quartal 2020 verdoppelt. Die Amazon-Filiale in Luxemburg hat im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz von 44 Mrd Euro gemacht. Über Luxemburg werden auch die Geschäfte in Deutschland, abgewickelt. Leider hat die Luxemburger Filiale nichts verdient, sagt Amazon. Sie hätten sogar Miese gemacht. Deswegen hat das Unternehmen keinen Cent Steuern bezahlt, sondern sogar eine Steuergutschrift von 53 Mio Euro bekommen, (berichtet der Guardian). Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung es zulässt, dass diese Gewinne fast vollständig unversteuert in ausländische Steueroasen abfließen. Während viele kleine Unternehmen und von der Krise Betroffene bis heute auf jegliche Hilfe warten und vor dem Ruin stehen. Die Vorstandsetagen deutscher Konzerne wie BMW, Knorr Bremse und Co. schicken Beschäftigte in Kurzarbeit, aber verteilen mit Steuergeldern Dividenden, während unsere Kommunen kaputt gespart werden. Diese Abzocker-Mentalität muss ein Ende haben.
Das ist ungerecht und zerstört die Grundlage des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Mit der Agenda 2010 begann die systematische Zerschlagung der bisherigen Sozialversicherungssysteme. Das hat nachhaltige, negative Auswirkungen bis heute in die kommunalen Haushalte. Die Folgen sind bekannt. Immer mehr Menschen sind auf Hartz IV angewiesen. Oder andersherum ausgedrückt, die Armut hat auch in unserer Stadt erheblich zugenommen. Hartz IV ist wesentlich mit verantwortlich dafür, dass sich der Niedriglohnsektor so ausgeweitet hat, das die sogenannten Minijobs nach jüngsten Zahlen 500,000 reguläre Sozialversicherungspflichtige Jobs vernichtet hat. Die auch hier vertretenen Parteien tragen Verantwortung für eine Politik von Bund und Land, die die Kommunen bis zum letzten Tropfen ausblutet.
Die Kommunen brauchen eine drastische Veränderung ihrer Einnahmeseite. Einen Weg aus der Schuldenkrise kann es nur geben, wenn man den Mut hat, die Gewinne der Großkonzerne, der Reichen und Superreichen anzugreifen! Es ist ausreichend Geld da, um die wichtigsten Aufgaben der Kommune zu finanzieren und um unsere Stadt lebens- und liebenswert sowie zukunftsfähig zu erhalten. Wir fordern nach wie vor ein Zins- und Schuldenmoratorium und Altschuldenregelung des Landes.
Aus den genannten Gründen lehne ich den vorgelegten Haushalt ab.
Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.
Cevat Bicici – Stadtverordneter WIR AUS Mülheim
Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft - 60 Jahren Migration aus der Türkei
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- Dienstag, 02. November 2021 14:37
Prof. Dr. Helen Baykara-Krumme
Professur für Migration und Teilhabe
Integration und Teilhabe
Seit dem Beginn des Anwerbeabkommens mit der Türkei und der Arbeitsmigration aus der Türkei nach Deutschland vor 60 Jahren hat sich einiges getan. Korrekter müsste man eigentlich sagen, dass sich seit etwa der 2000er Jahre mehr getan hat als in all den Jahren zuvor: So lange dauerte es, bis Deutschland sich selbst als Einwanderungsland anerkannte, erstmals ein Zuwanderungsgesetz verabschiedete und eine Integrationspolitik entwickelte. Auch die migrantische Community stellte sich zunehmend breiter auf, organisierte sich über Herkunftsgruppen hinweg, formulierte Widerspruch und forderte gleichberechtigte Teilhabe. Der lange dominante defizitorientierte Diskurs zur Integration wandelte sich; mit der Kritik am alten Integrationsbegriff und dem Fokus auf Teilhabe und Partizipation wurden die strukturellen Bedingungen in den Blick genommen, die diese ermöglichen – oder eben auch lange verhindert haben und zum Teil bis heute verhindern.
Der bei seiner Einführung 2005 durchaus fortschrittliche Begriff des Migrationshintergrunds, mit dem die demographische Relevanz von Einwanderung in Deutschland unvermittelt sichtbar wurde (damals wurde erstmals realisiert, dass ein Fünftel der Bevölkerung eine Zuwanderungsgeschichte hat; heute liegt der Anteil bei mehr als einem Viertel), wird inzwischen kritisch diskutiert. Der aus der amtlichen Statistik und Wissenschaft in den Alltagsgebrauch übernommene Begriff des Migrationshintergrunds wird von vielen als ausgrenzend empfunden. Mit neuen Begriffen, so die Hoffnung, werden ausschließende Diskurse beendet. Als Einwanderungsland braucht Deutschland ein inklusives Selbstverständnis, das Zugewanderte, in jedem Fall aber deren Nachkommen bedingungslos in die Wir-Gruppe einschließt.
Denn während sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Migration und das Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft verändert hat und politische Forderungen nach Repräsentation und Teilhabe gut sichtbar und laut hörbar sind, bleiben Ausgrenzungserfahrungen, Diskriminierung und Rassismus Alltag für viele, die „als Andere gelesen werden“, und das Zusammenleben geschieht oft noch nebeneinander statt miteinander. Die NSU-Morde und die Verbrechen in Hanau zeigen in besonders furchtbarer Weise, welche extremen Konsequenzen Rassismus auch in Deutschland haben kann.
Die Zugewanderten aus der Türkei haben diesen Prozess in Deutschland und in anderen Ländern Europas begleitet, miterlebt - und zunehmend gestalten sie ihn mit. Die Migration begann als „Gastarbeitsmigration“ und hat sich über die Jahre enorm ausdifferenziert. Kennzeichnend ist heute die Vielfalt innerhalb der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland und anderen Ländern Europas. Begleitet war die Einwanderung nach Deutschland und der Verbleib vieler Migrant*innen und ihrer Nachkommen dabei von umfangreichen Rückwanderungsprozessen und dem Entstehen dichter transnationaler sozialer, ökonomischer und politischer Räume.
Heterogenität der größten Migrantengruppe
Deutschland ist für Türkeistämmige mit Abstand das wichtigste Land außerhalb der Türkei: Im Jahr 2020 lebten 1,33 Mio. türkische Staatsbürger*innen in Deutschland, von insgesamt 1,87 Mio. türkischen Staatsangehörigen in der gesamten EU. Bezieht man Eingebürgerte und Menschen, die mit einer deutschen Staatsangehörigkeit in Deutschland geboren wurden, mit ein, so liegt die Zahl der Türkeistämmigen in Deutschland bei 2,75 Mio. Mit knapp 13 Prozent aller Menschen mit Migrationshintergrund und 3,4 Prozent der Gesamtbevölkerung bilden die Türkeistämmigen die mit Abstand größte Herkunftsgruppe. Altersmäßig ist die Gruppe der Türkeistämmigen zugleich vergleichsweise jung, was sich auch auf etwas höhere Geburtenraten zurückführen lässt: Etwa ein Fünftel sind unter 18 Jahre, nur etwa 8 Prozent sind über 65 Jahre alt. Etwa die Hälfte hat eine deutsche Staatsangehörigkeit; insgesamt haben 285.000 Türkeistämmige eine doppelte Staatsangehörigkeit und ca. 890.000 eingebürgerte Türkeistämmige sind wahlberechtigt. Von allen Türkeistämmigen sind 46 Prozent selbst zugewandert (1.28 Mio.), die Mehrheit ist also in Deutschland von türkeistämmigen Eltern als sogenannte Zweite (oder Dritte) Generation geboren. Im Gegensatz zu anderen Herkunftsgruppen zeigt sich hier die besonders lange Migrationsgeschichte und damit eine besondere Zugehörigkeit zu Deutschland: Im Mittel leben Zugewanderte aus der Türkei bereits 32,5 Jahre in Deutschland; 42 Prozent bereits 40 Jahre und mehr. Zugleich sind knapp 7 Prozent aller Türkeistämmigen weniger als 5 Jahre in Deutschland und insgesamt etwa 14 Prozent weniger als 15 Jahre. Migration aus der Türkei nach Deutschland findet bis heute weiterhin statt: Die Einwanderungserfahrungen sind damit höchst unterschiedlich. Die Herkunftsgruppe der Türkeistämmigen ist heute – nach 60 Jahren Einwanderung – durch eine enorme Heterogenität gekennzeichnet. Exemplarisch für die (Super-)Diversifizierung, die insgesamt für die Migrationsbevölkerung in Europa konstatiert wird, ist die Ausdifferenzierung der Herkunftsregionen und die Migrationsmotive über die Zeit von der „Gastarbeitermigration“ bis heute; sie zeigt sich aber auch in der sozialen Schichtzugehörigkeit, in der Unterschiedlichkeit politischer Präferenzen oder in der Bedeutung von Religiösität. Die politischen Präferenzen haben sich über die Jahre diversifiziert – die lange starke Bindung zur SPD hat abgenommen, dagegen hat die CDU an Zustimmung gewonnen. Die Unterstützung für die türkische Regierungspartei AKP variiert innerhalb Deutschlands ebenso wie die Unterstützung für die Oppositionsparteien. Zugleich bezeichnen sich in NRW zwar ein Fünftel der Befragten als sehr religiös und 60 Prozent als eher religiös, aber ein weiteres Fünftel auch als eher nicht oder gar nicht religiös. Die zunehmende Ausdifferenzierung innerhalb der türkeistämmigen Bevölkerung markiert einen Prozess der Normalisierung im Zuge des intergenerationalen Eingliederungsprozesses in Deutschland. Dabei sind gerade politische Einstellungen und Parteipräferenzen von vielen Faktoren abhängig, u.a. auch transnationalen Einflüssen aus dem Herkunftsland (der Eltern und Großeltern). Anschaulich gezeigt wird die Vielfalt innerhalb der migrantischen Bevölkerung in den Studien zu Sinus-Migrantenmilieus. Sie belegen, wie sich soziale Lagen und Wertorientierungen über die Grenzen der Herkunftsgruppe hinweg entfalten; keinesfalls lässt sich vom Herkunftsland auf das Milieu schließen.
Zugehörigkeit und Teilhabe
In der Integrationsforschung werden verschiedene Indikatoren in den Blick genommen, um Entwicklungsverläufe über die Generationen und weiterhin bestehende Benachteiligungen nachzuzeichnen. Im Bereich der Bildungsabschlüsse und des sozialen Aufstiegs gibt es zahlreiche erfolgreiche Beispiele, trotzdem gelten Jugendliche mit türkischer Migrationsgeschichte immer noch häufig als weniger erfolgreich, weil sie öfter ohne Schulabschluss bleiben, häufiger als andere Herkunftsgruppen nur einen Hauptschulabschluss erreichen oder geringere Lernkompetenzen aufweisen. Über die Zeit und im Vergleich zu den Eltern nimmt die Zahl der Bildungsabschlüsse zwar zu und die Bildungssituation hat sich zwischen erster und zweiter Generation verbessert, v.a. bei den Frauen. Aber dieser Bildungsanstieg ist klein und vielfach kann bessere Bildung nicht in Berufserfolge übersetzt werden. Dabei macht Deutschlands Schulsystem soziale Mobilität auch besonders schwer. So zeigen vergleichende Studien, dass Türkeistämmige in anderen europäischen Ländern im Hinblick auf Schulabschlüsse viel erfolgreicher sind: Die Frage ist also weniger, warum es viele Schüler*innen in Deutschland nicht schaffen, erfolgreich zu sein, sondern warum die Institutionen wie unsere Schulen es nicht schaffen, inklusiv zu sein, herkunftsbedingte Nachteile auszugleichen und Chancengerechtigkeit zu garantieren.
Ein anderer Indikator ist die soziale Einbindung und das Zugehörigkeitsgefühl. Hier zeigt sich, dass die Häufigkeit der Kontakte von Türkeistämmigen zu Deutschen ohne Migrationsgeschichte über die Generationen deutlich zugenommen haben. Zugleich wünschen sich laut einer Studie aus dem Jahr 2015 aber viele Befragte mehr Kontakt zu Deutschen ohne Migrationsgeschichte, insbesondere jene, die bisher wenig Kontakt haben. Viele Türkeistämmige fühlen sich stark verbunden mit Deutschland, aber der Anteil ist in der zweiten Generation nochmal deutlich höher. Die Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe und emotionalen Zugehörigkeit hängen eng mit der Akzeptanz und Offenheit der Mehrheitsgesellschaft zusammen. Bei Deutschen ohne Migrationsgeschichte nimmt zwar der Anteil derjenigen zu, der mit Zugewanderten Kontakt haben und Freundschaften schließt. Und Türkeistämmige werden heute weniger als früher als kulturell abweichend wahrgenommen; vielfach gehören sie jetzt dazu, gerade auch angesichts der neuen Zuwanderung von anderen, denn sie sind schon lange da. Viele Städte sind von migrantischer Vielfalt und Pluralismus geprägt; gerade in jüngeren Altersgruppen ist Diversität Normalität. Aber Segregation ist ein Hinderungsfaktor für soziale Kontakte und auch Diskriminierungserfahrungen gehören 60 Jahre nach Beginn der Anwerbung vielfach noch zum Alltag. Es ist erfreulich, dass sich die Mehrheit der Türkeistämmigen subjektiv nicht diskriminiert fühlt; aber dass im Jahr 2015 26 bzw. fast 30 Prozent der befragten Türkeistämmigen angab, sich bei der Arbeits- bzw. der Wohnungssuche benachteiligt zu fühlen, ist erschreckend, zumal Experimentalstudien auch belegen, dass Diskriminierung stattfindet.
60 Jahre nach dem Anwerbeabkommen mit der Türkei und 20 Jahre nach dem Bekenntnis Deutschlands als Einwanderungsland sind wir im Miteinander ein gutes Stück vorangekommen. Aber die Bedingungen für erfolgreiche und umfassende Teilhabe sind noch nicht zufriedenstellend; wir brauchen insbesondere weitere Öffnungsprozesse der Mehrheitsgesellschaft, ihrer Organisationen und Institutionen, um Teilhabe nachhaltig und strukturell zu ermöglichen.
Antikriegstag DGB 2021
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- Freitag, 10. September 2021 11:32
Mülheim 01.09.2021- Antikriegstag
Die DGB veranstaltete den Antikriegstag unter dem Motto:
Abrüsten, Sicherheit schaffen: Nie wieder Krieg!
Auch dieses Jahr haben Mitglieder vom Wählerbündnis WIR AUS Mülheim von dem DGB veranstalteten Antikriegstag im Luisental teilgenommen.
Es war eine gut besuchte Veranstaltung, ca.60 Personen haben daran teilgenommen. Wir waren mit 5 Mitgliedern vor Ort vertreten.
Unser Dank gilt dem Veranstalter für die gelungene Aktion.